Besprechung: „Performative Didaktik“ (Fremdsprache Deutsch Nr. 62)

Im Frühjahr 2020 erschien das Themenheft „Performative Didaktik“ der Zeitschrift Fremdsprache Deutsch (Heft Nr. 62).

Das Heft bietet eine große Bandbreite rund um performatives Unterrichten. Als Vorlagen werden zum Beispiel literarische Texte, Film oder Bilder vorgestellt, der Fokus reicht von der Arbeit an einer spezifischen Grammatikstruktur bis zur ‚Anleitung’ für ein komplettes Inszenierungsprojekt, und während theatralische Darstellungsformen den Schwerpunkt bilden, werden aber auch andere perfomative Formen, wie z.B. das Erzählen, berücksichtigt. Lehrkräfte, die sich einen Überblick über das Thema verschaffen möchten, erhalten hier viele Informationen, aber auch performativ erfahrene Lehrkräfte können sicher noch die ein oder andere Inspiration finden.

Der Einleitungsartikel von Maik Walter dürfte vor allem Lehrkräften, die bisher wenig Berührung mit dem Konzept einer performativen (Fremdsprachen-)Didaktik hatten, einen guten Überblick über die Begrifflichkeiten geben – und lässt auch nicht außer Acht, wie unterschiedlich verschiedene Disziplinen die Begriffe Performanz/performativ begreifen. (Hier könnte man sogar noch hinzufügen, dass in wirtschaftlichen und technischen Fächern die Performance z.B. einer Aktie oder eines Motors wieder eine andere Bedeutung hat.)

Auch Manfred Schewe beschäftigt sich in seinem Hintergrundartikel mit dem Begriff des Performativen und geht zum Beispiel seiner historischen Entwicklung in der Fremdsprachendidaktik nach und stellt anhand eines Akrostichons anschaulich verschiedene Facetten performativen Lehrens und Lernens vor.

Kristin Wardetzky befasst sich in ihrem Beitrag mit der integrativen und lernförderlichen Wirkung des Erzählens (traditioneller Geschichten), hier vor allem in Kontext der Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund – die Erkenntnisse könnten aber z.B. sicher auch auf jüngere und ältere Sprachanfänger in anderen Kontexten übertragen werden.

In ihrem Artikel „Von der Idee zur Aufführung“ schildert Claudia Bartholomeyczik ausführlich und praxisbezogen genau das – wie eine fremdsprachliche Theater-AG von der Themenfindung über die Stück- und Rollenerarbeitung und den Probenprozess zu Aufführung gelangt. Für Lehrkräfte, die das Konzept selbst anwenden wollen, gibt es Zusatzmaterialien online, z.B. zur Projektplanung oder Arbeitsblätter zu bestimmten Aufgabenformaten.

Der Beitrag von Birgit Bader könnte für Lehrkräfte hilfreich sein, die es lieber eine Nummer kleiner versuchen möchten – hier wird berichtet, wie in ca. 10 Doppelstunden ausgehend von einer literarischen Vorlage (Romanauszug) von DaF-Lernenden eine kleine Inszenierung erschaffen wird. Relativ große Teile des Artikels beschäftigen sich mit Übungen zur Vertrauensbildung, Atem- und Sprechübungen. Vielleicht hätte noch etwas klarer werden können, wann/wie oft die Autorin empfiehlt, diese Übungen im Verlauf der Stunden einzusetzen.

In die wissenschaftlichen Grundlagen des bewegten Lernens/embodied learning führt Michaela Sambanis in ihrem Artikel „Versuch’s mal mit Beweglichkeit“ ein und gibt einige konkrete Beispiele für Übungen (basierend auf den Formaten Standbild und Pantomime), die sich der lernförderlichen Wirkung von Bewegung zunutze machen.

Anhand des Beispiels „Relativsätze“ schildern Doreen Bryant und Sarah Unger die Anwendung des Modells der Dramagrammatik mit seinen typischen Phasen, die hier im Kontext einer DaZ-Sprachförder-AG für Grundschulkinder dargestellt wird.

Von Sigrid Unterstab wird der Fokus auf die Zielgruppe ‚Willkommensklassen‘ gelegt. Durch den Ansatz „Theaterarbeit mit Bildern“ wird für jugendliche Sprachanfänger ein interdisziplinärer Ansatz aus DaZ, Kunst und Theater geschaffen, der ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse in besonderer Weise berücksichtigt.

Das Medium Film wird von Dragan Miladinovic in seinem Beitrag ins Spiel gebracht – nach kurzer Einführung in die didaktischen Potenziale der Kombination von Film und performativen Unterrichtsformen, wird ein Unterrichtsbeispiel für ca. zwei Doppelstunden geschildert, das offenbar für Lerneden auf B1/B2-Niveau konzipiert ist (eine Altersgruppe ist nicht explizit angegeben, das Beispiel ist aber vermutlich für junge Erwachsene gedacht), für das aber auch Hinweise zur Adaption für niedrigere oder höhere Sprachniveaus gegeben werden.

Nach den vielen Beiträgen, wo der Fokus auf produktiven Aktivitäten rund um Theater, Bild oder Film lag, beschäftigt sich der Artikel von Lasse Scheiba und Maik Walter schließlich mit der Rezeption von Theater, und zwar eines speziell für die Aufführung im Klassenzimmer konzipierten Stücks des Jungen Deutschen Theaters. Wie funktioniert eine solche Klassenzimmeraufführung und wie sie z.B. durch Zusatzmaterial und Nachgespräche produktiv in den Fremdsprachenunterricht integriert werden?

Ein Glossar und eine Seite mit Literaturempfehlungen zu Theorie und Praxis runden das Heft ab. Alle Artikel listen zudem weiterführende Sekundärliteratur auf, wer sich also zum jeweiligen Artikelthema eingehender informieren möchte, wird dort fündig.

Das Heft ist im Erich Schmidt Verlag erschienen und kostet 12,50€.

https://www.esv.info/978-3-503-19126-0

(Stefanie Giebert)