Buchrezension „Das chorische Prinzip“
Ein Kaleidoskop zum chorischen Prinzip
Aus allen möglichen Blickwinkeln und in verschiedensten Kontexten untersucht Harald Volker Sommer in seinem aktuellen Buch das „chorische Prinzip“. Nahezu alles, was mit theatralen Chören und chorischem Arbeiten zu tun hat, findet den Weg in das 334 Seiten starke „Arbeitsbuch für Theater, Pädagogik und Lehre“. Das Buch umfasst sowohl sehr abstrakte Aspekte wie zum Beispiel die Erkundung der Begriffe Massen, Meuten und Schwärme, ist aber auch in weiten Teilen sehr praxisnah, wenn konkrete chorische Übungen beschrieben werden.
Es ist eher kein Buch, das sich einfach linear von vorne bis hinten liest, aber eines, das man immer wieder aufschlagen kann, um eine Fülle von Anregungen abstrakter und praktischer Art zu finden. Es ist eine Mischung aus theoretischer Einführung ins chorische Theater und Praxishandbuch, und kann als Nachschlagewerk und Inspirationsquelle dienen. Der Autor beschreibt, dass eine lineare Benutzung des Buches ohnehin gar nicht beabsichtigt sei und stellt auch selbst wiederholt hilfreiche Querverweise im Buch her, um die Verknüpfung der verschiedenen Aspekte zu zeigen. Angereichert ist die Abhandlung zudem durch Interviews mit bekannten Theaterpraktikern und auch immer wieder kurzen persönlichen Anekdoten zum Thema des Chorischen.
Das Buch gliedert sich in vier größere Teile. Zuerst die „Wege zum Chor“, das zur Begriffsklärung, zur Entstehung von Chören in frühgeschichtlichen Kontexten, und schließlich in der Diskussion von drei Wirkungsräumen Funktionen, die der Chor haben kann, erläutert. Der Autor orientiert sich dabei am Chor der griechischen Antike, wo Lehren und Lernen im Chor (Paideia), politische Funktionen (Politeia) und die ästhetischen Aspekte des Chorischen (Aisthesis) diskutiert werden. Die Beschreibung der Wirkungsräume wechselt sich mit ebenfalls drei Praxisfragen ab: der Frage nach der Zielgruppe (wer), den Rahmenbedingungen (was) und der Gestaltung/Leitung chorischer Elemente (wie).
Im zweiten Teil geht es um „Bausteine des Chors“ und Aspekte wie Körper, Raum oder Sprache und ihre Kombination mit dem Chorischen werden diskutiert und jeweils durch zahlreiche Übungen ergänzt.
Im dritten Teil kommen ausführlicher beschriebene Einsatzfelder zur Sprache. Der Chor als „learning play“ untersucht Brechtsche Ideen zum Chorischen. Der „Chor der Unterdrückten“ beleuchtet das Verhältnis von Chor und Boals Forumtheater. Schließlich beschäftigt sich der Abschnitt „Chor der Staunenden“ mit dem Thema wie chorische Formen zum Thema des ästhetischen Forschens passen.
Zum Abschluss beschäftigt sich der vierte Teil „Werkstatt Chor“ mit der chorischen Gestaltung verschiedener Textgenres. Weitere Werkstätten, zum Beispiel zum chorischen Forschen oder zum Thema „digitaler Chor“ können über einen QR-Code aus dem Internet heruntergeladen werden.
Geeignet ist das Buch für Theaterpädagogen und Theater-Forschende. Aber auch für Lehrende aus anderen Kontexten als dem Theater, zum Beispiel durchaus auch dem Sprachbereich. Denn viele der Beispiele lassen sich auch als Anregungen für einen drama-basierten Sprachunterricht lassen, besonders natürlich jene aus der Sektion Chor und Sprache.
Das Buch ist erschienen im ibidem Verlag und kostet 24,90 €.
Verfasserin der Rezension: Stefanie Giebert